"Engelsburg" = ein Begriff

Dienstag, 15. Mai 1984

Stätte geistiger Auseinandersetzung geblieben

In dieser Woche gibt es keinen Tag, an dem nicht was los ist in den alten Mauern der "Engelsburg", denn die FDJ-Studententage der MAE sind immer ein Höhepunkt im Klubleben der Burg. Die heutigen Studenten sorgen dafür, daß die alten Traditionen gewahrt werden und der Geist der Humanisten nicht in Vergessenheit gerät.

Die Geschichte der Erfurter Humanistenstätte "Zur Engelsburg" reicht bis in das 12. Jahrhundert. Das damals gegründete erste selbständige Hospital in Erfurt wurde um 1500 zu einer Stätte der vorwärtsdrängenden geistigen Auseinandersetzung. Fortschrittliche Männer, wie Ulrich von Hutten, Helius Eobanus Hessus oder Conrad Mutianus trafen sich dort und setzten sich für die Freiheit der Wissenschaft und eine weltanschaulich-religiöse Neuorientierung ein. Der damalige Besitzer des Hauses und spätere Rektor der Erfurter Universität, Dr. Georg Sturz, unterstützte diese Anschauungen. Er hatte einen Hospitalflügel, als auch Räume, in denen Studenten untergebracht waren. Auch Martin Luther nahm 1537 für zwei Tage Quartier, denn er war auf der Durchreise und erkrankte. Ende des 18. Jahrhunderts bis 1925 war eine Tabakfabrik in den Räumen untergebracht. Umfangreiche Restaurierungsarbeiten begannen 1951. Das Haus, in dem Luther übernachtete, mußte wegen zu starker Baufälligkeit abgerissen werden. Bis zum heutigen Tag ist der Gebäudekomplex mit dem Haus "Zum schwarzen Roß", dem Haus "Zum roten Hirsch" erhalten geblieben. Auf der Grundlage eines Vertrages zwischen dem Rat der Stadt Erfurt und der Medizinischen Akademie Erfurt wurde am 3. Juli 1965 die "Engelsburg" der MAE zur Nutzung übergeben. In den ersten drei Jahren nach der Übernahme wurden von den Studenten nahezu 7000 Stunden für Um- und Ausbauarbeiten geleistet, und 1968 konnte der FDJ-Studentenklub eröffnet werden . Dazu gehören der Bierkeller, die Weinstube, die Bar, der Tanzkeller, die Kaffeestube, der Vortragsraum und das Bohlenstübchen. Werterhaltungsmaßnahmen sind immer wieder erforderlich, damit die "Engelsburg" den nachfolgenden Studienjahren zur Nutzung übergeben werden kann. Als ein Organ der FDJ-Hochschulleitung der Medizinischen Akademie Erfurt bemüht sich die aus sechs Studenten bestehende Klubleitung mit großem Engagement um die Absicherung und Erfüllung aller anstehenden kulturellen und technisch-organisatorischen Fragen. Ein überaus großes Betätigungsfeld, denn neben einer Vielzahl von kulturellen Veranstaltungen, wo auch weit über den Bezirk Erfurt bekannte Künstler und Gruppen gastieren, werden Vorträge zu den verschiedensten Themen gehalten, Tanzveranstaltungen durchgeführt. Über die Vorlesungen hinaus werden Kontakte zwischen Hochschullehrern und Studenten in wissenschaftlichen Streitgesprächen oder politisch-weltanschaulichen Diskussionen gepflegt. Somit wird eine geschichtliche Tradition dieses Hauses gewahrt. Darüber hinaus sind die Räumlichkeiten oftmals Anziehungspunkt für in- und ausländische Gäste der MAE, die zum Beispiel im Rahmen von wissenschaftlichen Veranstaltungen an der Einrichtung verweilen.

Schröder

(Thüringische Landeszeitung, 15.05.1984)