Innenarbeiten an den Humanistenstätten vor dem Abschluß - Einrichtung einer Bildungsstelle
Erfurt (tlz). In den Erfurter Humanistenstätten rings um die "Engelsburg" gehen nunmehr auch die Innenarbeiten zur vollständigen Wiederherstellung des historischen Gebäudes ihrem Ende entgegen: Der Treppenaufgang und ein Teil der Räume sind bereits hergerichtet. Der durch den sogenannten Humanistenerker schon äußerlich gekennzeichnete Musensaal im 1. Stock bietet im wesentlichen das Bild des alten Zustandes jener Zeit, da hier die Erfurter Humanisten zu ihren Besprechungen zusammenkamen.
In zweimonatiger Arbeit hat hier der Erfurter Restaurator Richard Hollbach unter einem vierfachen Kalkanstrich, der mit Lupe und Pinzette stückweise vorsichtig entfernt werden mußte, Fragmente von Tafelmalereien der Kassettendecke freigelegt, die aus den Jahren 1521 bis 1524 von einem unbekannten Meister stammen, der der italienischen Schule zugerechnet werden muß. Nach Behandlung mit chemischen Mitteln hat er dann die Konturen festgestellt und die Bilder restauriert. Es handelt sich um biblische Szenen in den vier Eckkassetten. Ebenso wurden die Ornamente an den Deckenbalken freigelegt und vervollständigt. Die Wände des Raumes bilden Holzbohlen von 15 cm Stärke, darüber befand sich einst ein gemalter Fries, von dem jedoch nur wenige Teile übriggeblieben waren. Da er zudem keine künstlerische Bedeutung hat, verzichtete man hier auf eine Restaurierung. Der Eingang zu diesem Raum erhielt eine Renaissancetür, die aus dem gegenüberliegenden Haus "Zur Windmühle" stammt, wo sie einen Korridor abschloß. Nach Beseitigung des zwölffachen Anstrichs, den diese Tür im Laufe der Zeiten erhalten hatte, wurden über 400 Jahre alte herrliche Intarsien entdeckt, die nunmehr den besonderen Schmuck der Pforte bilden. Zur Zeit ist Richard Hollbach dabei, nach im Museum vorhandenen Vorlagen die Wappen der Erfurter Humanisten, die hier ein- und ausgingen, auf die Wand zu beiden Seiten der Ausgangstür zu übertragen. Direkt über der Tür ist das Wappen des Hausherrn, des Arztes Dr. Sturtz, bereits fertiggestellt.
Auf Beschluß des Rates der Stadt ist inzwischen die Verwaltung des Hauses der Stadtbibliothek übertragen worden, die den Auftrag hat, hier eine populärwissenschaftliche Bildungsstätte über den Früh-, Hoch- und Späthumanismus einzurichten. Die Vorbereitungen hierzu sind bereits im Gange. U. a. sollen im Musensaal die berühmten "Dunkelmännerbriefe" gezeigt werden, die der geistigen Atmosphäre dieses Hauses entstammen.
(Thüringische Landeszeitung, 10.09.1953)